Wieviele potenzielle TT-Stellen an der HU Berlin?


In Berlin sollen in Zukunft Postdocs auf Qualifikationsstellen mit Tenure-Track-Option beschäftigt werden. Die Präsidentin der HU Berlin, Sabine Kunst, hält das für nicht machbar und hat deshalb ihren Rücktritt erklärt. Aber um wieviele Stellen geht es überhaupt an der HU Berlin?

Die Humboldt-Universität bietet frei zugänglich eine exzellente Personalstatistik an (Übersicht). Dort lässt sich das zumindest annäherungsweise nachvollziehen. (alle Diagramme im Folgenden von der HU-Webanwendung.)

Aktuell arbeiten an der HU Berlin im wissenschaftlichen Mittelbau 1576 Personen befristet und 392 unbefristet. Von den 1576 befristeten Stellen sind 992 durch Drittmittel finanziert und fallen damit nicht unter die Neuregelung. Die Entwicklung spiegelt die allgemeinen Verhältnisse an Unis in Deutschland: Deutliche Zunahme an Drittmittelstellen (blau) gegenüber den Haushaltsstellen (rot).

Befristete Stellen im Mittelbau nach Drittmitteln (blau) und Haushaltsmitteln (rot).

Bleiben noch 584 befristete Haushaltsstellen, die für TT infrage kämen - wenn sie überhaupt mit Postdocs besetzt werden. Leider listet die Statistik nicht auf, wieviele Postdocs auf diesen Stellen sitzen. Ein möglicher Indikator ist aber die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten.

Doktorand*innen werden i.d.R. nicht mit 100 Prozent beschäftigt, Postdocs meist schon. Vollzeit befristet arbeiten aktuell 223 Wissenschaftler*innen im Mittelbau der HU Berlin. Auf die Gesamtzahl von 1576 befristet Beschäftigten gerechnet sind das rund 14 Prozent.

Zusammengefasst: Mit der Neuregelung müsste die HU Berlin für geschätzt 14 Prozent der befristet Beschäftigten eine Tenure-Track-Option einführen. Die Zunahme von Drittmittelstellen und der Abbau von Haushaltsstellen wird dieses Verhältnis in Zukunft allerdings weiter verringern. In der öffentlichen Debatte um die Entfristung von Postdocs wird die Unterscheidung zwischen Drittmittelstellen und Haushaltsstellen meist gar nicht gemacht. Sie ist aber für die realistische Einschätzung der Herausforderungen und Chancen, die die neue gesetzliche Regelung für die Unis bedeutet, wichtig.

Fun fact: Seit 2000 hat sich an der HU Berlin die Anzahl der Professuren von 401 auf 440 erhöht, also um knapp 10 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der unbefristet beschäftigen Wissenschaftler*innen im Mittelbau um 24 Prozent von 519 auf 392 und stieg die Anzahl der befristet beschäftigten Wissenschaftler*innen von 1114 auf 1576, also um rund 40 Prozent. Einer geringen Zunahme an Professuren und einer deutlichen Abnahme von unbefristeten Stellen im Mittelbau steht eine starke Zunahme von unbefristeten Stellen im Mittelbau gegenüber.

Professuren (blau) und befristete Stellen im Mittelbau (rot) an der Humboldt-Universität zu Berlin seit 1995.

Während im Jahr 2000 rund 32 Prozent der Beschäftigten im Mittelbau einen unbefristeten Arbeitsvertrag hatten, arbeiten 2021 nur noch knapp 20 Prozent unbefristet beschäftigte Mitarbeiter*innen im Mittelbau der HU, von denen 40 Prozent als Lehrkräfte für besondere Aufgaben gelistet sind, also mit einem sehr hohen Anteil Lehre und einem sehr geringen Anteil Forschung (wenn überhaupt) beschäftigt sind.

Disclaimer: Die HU-Personalstatistik ist selbstverständlich nicht aussagekräftig für andere Universitäten. Ich bin kein Haushaltsexperte und kann nicht abschätzen, welche haushaltstechnischen Konsequenzen eine Tenure-Track-Option für die hier anhand der genannten Indikatoren geschätzte Anzahl von Postdoc-Stellen hätte. Ziel der Rechnung war lediglich, einmal zu überschlagen, wieviele Stellen tatsächlich von der neuen Regelung betroffen wären.